„Oft warte ich stundenlang in der Kälte“

Wie NaturFreundin Farina Graßmann ihren Beruf als Naturfotografin empfindet

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Farina Graßmann (24) ist selbstständige Naturfotografin, Bloggerin und Autorin. Die NaturFreundin aus Velbert hat gerade ein Buch über das Leben in totem Holz geschrieben, welches in diesem Jahr veröffentlicht werden soll.

Lies in diesem Interview, was Leser*innen ihre Buches erwarten dürfen, wie sie ihren Beruf als Naturfotografin empfindet, welche Tipps für das Fotografieren von Insekten sie hat und was sie an den NaturFreunden schätzt.

In diesem Jahr erscheint dein Buch „Wunderwelt Totholz“. Was bitte interessiert eine 24-Jährige an totem Holz?

Farina Graßmann: Es ist die Vielfalt: Im Totholz lassen sich die unterschiedlichsten Bewohner beobachten – vom winzigen Borkenkäfer bis zum imposanten Waldkauz. Schon als Kind habe ich die Natur erkundet und tue das heute noch. Dabei interessieren mich die großen Tiere genauso wie die kleinen, die unscheinbaren. Sie alle kann man bei einem genauen Blick auf das Totholz entdecken, das ja alles andere als tot ist.

Was erwartet deine Leser*innen?

In meinem Buch erzähle ich Geschichten aus einer für viele Menschen ziemlich unbekannten Welt, einer Welt voller Wunder. Meine Leser*innen bekommen sowohl Einblicke in das Leben der Tiere, Pflanzen und Pilze im Totholz als auch Informationen über Zusammenhänge, zum Beispiel den Waldzyklus oder die Entstehung von Baumhöhlen. Dazu gebe ich Tipps, wie jeder etwas tun kann für mehr Totholz im Garten oder im Wald.

cover-wunderwelt-totholz_0.pngFarina Graßmann: Wunderwelt Totholz – Unterwegs im Lebensraum von Waldkauz, Hirschkäfer und Holunderschwamm; 160 Seiten, Hardcover; pala-verlag, Darmstadt, 2020; ISBN 9783895664014; 19,90 Euro – auch via: farinas-fotokunst.de (versandkostenfrei und mit persönlicher Signierung)

Sowohl die Texte als auch die vielen Fotos kommen von dir. Du bist Naturfotografin?

Stimmt. Ich fotografiere, seit ich mit 13 meine erste Digitalkamera bekommen habe. Seit mehreren Jahren veröffentliche ich meine Bilder auch. Wichtig ist mir dabei, nicht nur die Schönheit der Natur zu zeigen, sondern auch Wissen zu vermitteln und ihre Schutzbedürftigkeit zu zeigen.

Dein Beruf muss paradiesisch sein: den ganzen Tag draußen sein, die tollsten Fotos machen und abends online stellen. Sieht so deine Arbeit aus und kannst du davon leben?

Heute kann ich von meiner Arbeit – dem Fotografieren und Schreiben – leben. Damit ist ein großer Wunsch von mir in Erfüllung gegangen, denn die Arbeit als Naturfotografin ist tatsächlich toll. Allerdings gibt es auch Tage, die nicht toll sind. Dann stehe ich vor Sonnenaufgang auf, fahre mit dem Rad oder dem Bus in die Natur, setze mich im Tarnanzug an eine Wiese oder in einen Wald und warte. Oft stundenlang. Und ab und zu auch vergeblich. Wenn dazu noch Regen und Kälte kommen, ist das natürlich deprimierend. Weil ich als Naturfotografin nur in einem begrenzten Umfang planen kann, ist Geduld sehr wichtig. Neben der Natur spielt sich ein großer Teil meiner Arbeit am Schreibtisch ab, denn auch Bildbearbeitung, Recherchen und natürlich das Schreiben gehören dazu.

Was bedeutet Natur für dich?

Die Natur schenkt mir viel: Erlebnisse, Erkenntnisse, Erholung. Im Gegenzug möchte ich mit meiner Arbeit etwas zurückgeben.

Vielen NaturFreund*innen engagieren sich gegen das Insektensterben. Hast du vielleicht drei Tipps für das Fotografieren von Insekten?

Erstens: Früh aufstehen. Viele Insekten lassen sich früh morgens am besten fotografieren. Denn sie benötigen die Kraft der Sonne, um sozusagen auf Betriebstemperatur zu kommen.

Zweitens: Neue Perspektiven einnehmen. Insekten sind klein, deswegen lohnt es sich, wenn wir uns ebenfalls klein machen. Näher am Boden entdecken wir viele Tiere, die wir beim Vorbeigehen leicht übersehen würden.

Drittens: Neue Lebensräume entdecken. Oft fallen uns beim Thema Insekten zuerst Blumenwiesen ein. Doch auch in anderen Lebensräumen, auf einem umgestürzten Baum zum Beispiel oder in einer mit Wasser gefüllten Asthöhle, lassen sich viele Insekten entdecken. Unabhängig von dem Motiv ist es wichtig, dass wir der Natur mit Respekt begegnen. Kein Foto ist es wert, dafür ein Tier zu stören.

Und wer nur ein Handy dabei hat?

Auch mit Handys kann man tolle Fotos machen, sogar von kleinen Insekten. Ein häufiger Fehler ist dabei allerdings, dass das Handy schief gehalten wird. Auch bei der Handyfotografie gilt nämlich, dass Zeit und Ruhe meist zu besseren Ergebnissen führen als ein Schnappschuss. Das Handy hat sogar einen Vorteil: Man kann seine Beobachtungen direkt teilen und Hilfe bei der Bestimmung bekommen. Ich nutze dafür gerne die Meldeapp von der Beobachtungsplattform naturgucker. de oder Bestimmungsgruppen bei Facebook.

Du bist auch als Naturschützerin aktiv?

Ja, ich möchte nicht nur andere zum Schutz der Natur bewegen, sondern auch selbst dazu beitragen. Deswegen helfe ich zum Beispiel am Amphibienzaun bei der Krötenwanderung, gehe Müll sammeln oder beteilige mich auch an Beprobungen von Feuersalamandern, wobei geprüft wird, ob sie von einem Pilz befallen sind.

Du bist in einigen Vereinen Mitglied, auch bei den NaturFreunden. Wie kam es dazu?

Die NaturFreunde haben mir gleich mehrere Gründe für eine Mitgliedschaft gegeben. Zum einen ist der Verband auch politisch engagiert. Das empfinde ich als sehr wichtig. Zum anderen freue ich mich über das Angebot der Naturfreundehäuser, vor allem, wenn ich zum Fotografieren unterwegs bin. Denn viele Häuser liegen an oder in Naturschutzgebieten und sind mit öffentlichen Verkehrsmitteln erreichbar. Auch die NaturFreunde-Arbeit vor Ort gefällt mir. Die NaturFreunde Düsseldorf haben mir zum Beispiel bei der Suche nach Schwarzspechten geholfen – vielen Dank noch mal – und ich war auch schon auf den WasserWegen der NaturFreunde Nordrhein-Westfalen unterwegs. Jetzt gibt es dort auch ein Insektenschutzprojekt, das ich sehr wichtig finde. Nicht zuletzt finde ich die Jugendarbeit der NaturFreunde sehr unterstützenswert. Junge Menschen zu erreichen und sie für eine soziale und ökologische Gesellschaft zu gewinnen, ist eine wichtige Aufgabe.

Was können NaturFreund*innen für mehr Totholz tun?

Totes Holz platzieren, wo immer es geht – ob im Garten, auf dem Balkon oder im Innenhof. Überall lässt sich so Lebensraum schaffen. Außerdem kann man sich dafür einsetzen, dass der Wald um die Ecke naturverträglich bewirtschaftet wird. Bürgerinitiativen können hier viel Einfluss nehmen. Und dann bieten natürlich auch die Naturfreundehäuser unzählige Möglichkeiten, die Außengelände totholzreich zu gestalten – in NRW vielleicht im Zuge des neuen ProInsekt-Projekts der NaturFreunde.

Interview Samuel Lehmberg