Nina Scheer, Energiepolitikerin der SPD, über die Mobilität der Zukunft
Überall werden Ladestellen für batteriegetriebene Autos gebaut. Ist das die einzige mögliche Infrastruktur?
Nina Scheer: Die batteriegetriebene Elektromobilität ist ein wichtiger Pfeiler der Energiewende, aber nicht der einzige. Deswegen muss beim Ausbau von Infrastruktur darauf geachtet werden, dass keine technologisch einseitige Ausrichtung erfolgt. Sehr viel spricht dafür, dass Wasserstoff in der Mobilität eine herausragende Rolle einnehmen wird und sollte.
Elektrobatterien werden mit einem hohen Einsatz an seltenen Erden produziert. Ist das auf Dauer wirtschaftlich?
Mit der steigenden Zahl von Elektroautos wird sich der jährliche Bedarf an Lithium und Kobalt bis 2030 verdoppeln. Das Bundesforschungsministerium hat ein Programm Batterieforschung in Höhe von 500 Millionen Euro aufgelegt, um verschiedene Technologien zu erforschen, die weniger bis keine seltenen Erden benötigen. Parallel dazu braucht es aber ein stärkeres Recycling von Autobatterien. Hierzu werden derzeit verschiedene Ansätze erforscht, wie die einzelnen Rohstoffe wieder voneinander getrennt werden können. Es gibt auch Überlegungen für ein Pfandsystem.
Sollte man lieber auf Wasserstoff setzen?
Wasserstoffantriebe haben einige Vorteile, insbesondere für den Schwerlastverkehr. Mit ihnen können Pkw bis zu 750 Kilometer Reichweite pro Tankfüllung erreichen, und das Betanken dauert im Vergleich zum E-Auto nur wenige Minuten. Auch können in der Fertigung entsprechender Fahrzeuge mehr Arbeitsplätze gehalten werden als bei der batteriebetriebenen Elektromobilität.
Und der Preis?
Momentan sind Wasserstoffautos noch deutlich teurer als E-Autos. Umso wichtiger ist es, sie in den Markt zu bringen und für flächendeckende Tankstelleninfrastruktur zu sorgen.
Wasserstoff herzustellen ist energieaufwendig. Manche behaupten, für Mobilität auf Wasserstoffbasis müsse erneuerbarer Strom importiert werden. Stimmt das?
Meines Erachtens ist es verfehlt, aus Sorge vor zu wenig erneuerbarer Energie diese so vielfältig einzusetzende Technologie zu vernachlässigen. Statt wie von Peter Altmaier vorgeschlagen 80 Prozent des Wasserstoffbedarfs bis 2030 zu importieren, muss der Ausbau vor Ort stattfinden. Das schafft Arbeit mit Zukunft. Es wird in Zukunft zudem noch viele weitere Entwicklungen geben, erneuerbare Energien zu gewinnen – etwa über Gebäudefassaden oder Straßenbeläge. Das erhöht die Potenziale dezentraler und damit auch heimischer Energiegewinnung. Der Umstieg auf Erneuerbare muss beschleunigt werden.
Dabei hat die Bundesregierung den Ausbau gedeckelt. Die heute geltenden Mengenbegrenzungen beim Ausbau sind verfehlt und müssen schleunigst abgeschafft werden – angefangen beim Solar-Deckel. Zudem darf es nicht zu weiteren Hemmnissen kommen, etwa in Form der von Peter Altmaier verfolgten pauschalen 1.000-Meter-Mindestabstände für Windräder. Dadurch würden die Ausbaumengen sehr stark eingeschränkt, was sogar zu einem Rückbau von Windenergie führen wird. Das ist energiewende- und klimaschutzpolitisch nicht verantwortbar.
Welchen Vorteil hat Wasserstoff als Speicher für Windenergie?
Speichertechnologien bieten die Möglichkeit für einen Ausgleich und kontinuierliche Versorgung. Wenn zum Beispiel mehr Strom aus Windenergie produziert wird, als gerade benötigt, kann der Strom durch die Gwinnung von Wasserstoff auch für die Mobilität verwendet werden. Momentan werden Windräder in diesen Situationen abgeschaltet und wertvolle Windenergie geht verloren. Wasserstoff lässt sich aber in großen Mengen speichern und transportieren. Durch die sogenannte Methanisierung, also dem Hinzufügen von Kohlendioxid, lässt sich Wasserstoff auch in das bestehende Gasnetz einspeisen – und wird so eine Option zur Ablösung von Erdgas sowie für den regenerativen Antrieb im Schiffs- und Flugverkehr. Insofern halte ich einen massiven Ausbau von Wasserstoff-Infrastruktur im Zuge der Energie- und Mobilitätswende für unverzichtbar.
Interview: Eckart Kuhlwein