Klimaschutzprogramm 2030: Die Bundesregierung hat versagt

NaturFreunde: Die Eckpunkte der Bundesregierung sind enttäuschend und nicht zielführend

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Während am 20. September beim Klimastreik von Fridays for Future bundesweit mehr als eine Million Menschen für echten Klimaschutz und eine Zukunft ohne Klimakrise protestierten, einigten sich Union und SPD auf die sogenannten Eckpunkte zum Klimaschutzprogramm 2030 – und ernten seitdem viel Kritik. Die NaturFreunde Deutschlands sind der Meinung, dass die Bundesregierung beim Klimaschutz versagt. Lesen Sie hier die Erklärung der NaturFreunde Deutschlands im Wortlaut:

Die Grundausrichtung des Klimaschutzplanes 2030 der Bundesregierung ist in keiner Weise zielführend und wird keinen ausreichenden Beitrag zur Einhaltung der Pariser Klimaschutzziele und zur Verhinderung des Anstieges der globalen Erwärmung auf über 1,5 Grad leisten.

Eine am Klimaschutz orientierte ordnungspolitische Ausrichtung des Klimaschutzplanes 2030 der Bundesregierung fehlt völlig. Mit einem Sammelsurium aus kosmetischen Einzelmaßnahmen, die in keiner Weise eine Lenkungsfunktion hin zu mehr Klimaschutz haben, versucht die Bundesregierung Klimaschutz vorzutäuschen. Die vorgeschlagene CO2-Bepreisung ab dem Jahr 2021 mit einem Festpreis von 10 Euro pro Tonne CO2 und 35 Euro pro Tonne CO2 im Jahr 2025 wird keinerlei Beitrag zum Klimaschutz leisten. Sie ist reine Kosmetik und soll wirksame ordnungspolitische Lenkungsmaßnahmen verhindern. Auch die Erhöhung der „Pendlerpauschale ab 2021 ab dem 21. Kilometer auf 35 Cent befristet bis zum 31.12.2026“ setzt falsche Signale.

Sektor Energieversorgung

Die Reduktion der „installierte Erzeugungskapazität aus Kohlekraftwerken im Markt bis 2030 auf insgesamt 17 GW und bis spätestens 2038 vollständig zu beenden“, greift zu kurz und wird nicht ausreichen, um das selbstgesteckte Reduktionsziel der Pariser Klimaschutzvereinbarung zu erreichen.

Die Festschreibung eines Mindestabstands von 1.000 Metern für Windkraftanlagen „für reine und allgemeine Wohngebiete“ und „dörfliche Strukturen mit signifikanter Wohnbebauung, auch wenn sie nicht als solche ausgewiesen sind“, ist nichts anderes als ein Windausbauverhinderungsprogramm, das einen dezentralen, demokratischen und Bürgerwindenergieausbau verhindert wird. Mit der Verschärfung, dass auf bestehenden Windkraftstandorten in diesem Bereich auch kein Repowering stattfinden darf, werden bestehende Windkraftstandorte zerstört. Mit der Verlagerung der Reduzierung dieser Abstände auf die kommunalen Parlamente werden mögliche Konflikte dezentralisiert. Positiv ist die Aufhebung des „noch bestehenden Deckels von 52 GW für die Förderung des Ausbaus von PV-Anlagen“.

Notwendig für einen klimagerechten Umbau der Energieerzeugungsstrukturen sind folgende Punkte:

  • Bis spätesten Ende des Jahres muss ein Kohleausstiegsgesetz vorgelegt werden, in dem festgeschrieben wird, dass bis Ende 2020 50 Prozent aller Kohlekraftwerke vom Netz genommen werden und das letzte Kohlekraftwerk spätestens 2030 vom Netz geht.
  • In einem Klimaschutzgesetz muss die verbindliche Einhaltung des 1,5-Grad-Zieles des Pariser Klimaschutzabkommens durch Deutschland festgeschrieben und konkrete Überprüfungs- und Sanktionsmechanismen festgeschrieben werden.
  • Mit einem Sofortprogramm muss die Bundesregierung festschreiben, dass das Reduktionsziel für Treibhausgase um 40 Prozent gegenüber dem Jahr 1990 bis spätestens zum Jahr 2022 erreicht wird.
  • Ein Klimaschutzgesetz das seinen Namen verdient, muss ordnungspolitisch festschreiben, dass Deutschland klimaneutral wirtschaftet. Hierfür muss ein Klimaschutzgesetz erarbeitet und verabschiedet werden, in dem konkrete Reduktionsziele und Umbauziele festgeschrieben werden, damit Deutschland spätestens im Jahr 2035 klimaneutral wirtschaftet.
  • Im Rahmen des Kohleausstiegsgesetzes muss der Schutz der vom Tagebau betroffenen Dörfer sichergestellt werden. In dem Gesetz muss eine Beschäftigungsgarantie der betroffenen Arbeitnehmer*innen aus dem Kohlebereich durch Sicherstellung von Alternativarbeitsplätzen in gesellschaftlich sinnvollen Bereichen und eine gesetzliche Garantie der Einkommen und des Verbleibs in der Bundesknappschaft festgeschrieben werden.
  • Klimaschutz muss sich im Bundeshaushalt widerspiegeln: Für die nächsten Bundeshaushalte müssen jährlich mindestens zehn Milliarden Euro Investitionsmittel für Investitionen in den Klimaschutz eingestellt werden. Zur Finanzierung muss eine Vermögensteuer für große Vermögen eingeführt werden.
  • Die Abstandsregelung für den Bau neuer Windkraftanlagen von 1.000 Metern muss auf 500 Meter reduziert und bundeseinheitlich geregelt werden. Die Energieerzeugung in Bürger*innenhand muss durch den konsequenten Ausbau von dezentralen erneuerbaren Energieerzeugungsanlagen gefördert werden

Sektor Verkehr:

Die im Sektor Verkehr vorgeschlagenen Maßnahmen sind ein „Wünsch-Dir-Was-Paket“, das in keiner Weise zur notwendigen Reduktion der CO2-Emmissionen führen wird. Weiterhin setzt die Bundesregierung auf den motorisierten Individualverkehr und möchte bis 2030 lediglich einen geringen Anteil des motorisierten Individualverkehrs auf Elektroautos verlagern.

Mit dem Ziel, „bis 2030 insgesamt 1 Millionen Ladepunkte zur Verfügung“ zu stellen, wird eine falsche Weichenstellung vorgenommen. Nicht der Ausbau des Autoverkehrs darf im Mittelpunkt einer zukunftsfähigen Verkehrspolitik stehen, sondern der konsequente Umbau der Verkehrsinfrastruktur hin zum öffentlichen Personennah- und -fernverkehr. Der von der Bundesregierung vorgeschlagene „Masterplan Ladesäuleninfrastruktur“ geht in die falsche Richtung. Ordnungspolitische Umsteuerungsmaßnahmen werden lediglich in diesem Bereich genannt, wenn „eine bedarfsgerechte Versorgung marktgetrieben nicht erfolgt“.

Bis 2030 sollen in Deutschland „7 bis 10 Millionen Elektrofahrzeuge zugelassen sein“ und dies durch ein „Gesetz zur steuerlichen Förderung der Elektromobilität“ erreicht werden. In keiner Weise wird von Seiten der Bundesregierung eine Reduzierung der Automobildichte in Deutschland thematisiert. Damit wird die autofixierte Verkehrspolitik der Bundesregierung festgeschrieben.

Auch die Fixierung auf „fortschrittliche Biokraftstoffe“ durch die „Entwicklung von flüssigen und gasförmigen regenerativen Kraftstoffen aus Biomasse und deren großtechnische Erzeugung in Biogas- und Syntheseanlagen“ weist in die falsche Richtung. Die vorhandene Förderung von Monokulturen im landwirtschaftlichen Bereich wird damit weiter festgeschrieben.

Im Klimaschutzprogramm der Bundesregierung wird lediglich auf die „Erhöhung der Bundesmittel nach dem GVFG für den Ausbau des ÖPNV auf 1 Mrd. Euro“ verwiesen und als Wunsch festgeschrieben, dass die Bundesregierung „beabsichtig, die Mittel ab 2025 auf 2 Milliarden Euro jährlich zu erhöhen“. Dies wird in keiner Weise ausreichen, den notwendigen Ausbau des Personennah- und -fernverkehrs und die Verlagerung des Transportes von Gütern auf die Schiene großflächig voranzubringen.

Auch beim Güterverkehr setzt die Bundesregierung weiter auf den LKW, und will lediglich „CO2-arme LKW in den Verkehr bringen“.

Die Erhöhung der Luftverkehrsabgabe in dem Umfang, dass „im Gegenzug die Mehrwertsteuer auf Bahnfahrkarten im Fernverkehr von 19 Prozent auf den ermäßigten Mehrwertsteuersatz von 7 Prozent gesenkt werden kann“, greift bei weitem zu kurz. Auch wenn es positiv ist, dass das Bahnfahren billiger werden soll, reichen die vorgeschlagenen Maßnahmen durch die Senkung der Mehrwertsteuer auf 7 Prozent bei weitem nicht aus.

Positiv ist die Ankündigung, dass die Bundesregierung „zusätzlich 10 Modellprojekte zur Stärkung der ÖPNV unterstützen, zum Beispiel die Einführung von 365-Euro-Jahrestickets“ beitragen will. Als wirklicher Förderung des flächendeckenden Umstiegs auf den ÖPNV kann eine solche Symbolpolitik jedoch nicht gewertet werden.

Notwendig für einen klimagerechten Umbau des Verkehrsbereichs sind folgende Punkte:

  • Im Klimaschutzgesetz muss verbindlich geregelt werden, dass der Verkehr bis spätestens 2035 klimaneutral durchgeführt werden muss. Dies setzt eine drastische Reduzierung des Flugverkehrs und des motorisierten Individualverkehrs und eine konsequente Verlagerung des Gütertransportes auf die Schiene voraus.
  • Im Klimaschutzgesetz muss verbindlich geregelt werden, dass der Verkehrssektor seinen Beitrag zum Erreichen des 1,5-Grad-Zieles leisten muss.
  • Wir brauchen einen sofortigen Ausstieg aus dem Verbrennungsmotor. Hierfür muss gesetzlich geregelt werden, dass spätestens ab dem Jahr 2025 keine neuen Personenwagen mit Verbrennungsmotoren mehr zugelassen werden dürfen. Ab 2030 dürfen auch keine neuen LKW mit Verbrennungsmotoren mehr zugelassen werden.
  • Zur Reduzierung der Schadstoffe und zur Erreichung von mehr Sicherheit auf den Straßen wird ab 2021 die Einführung einer Höchstgeschwindigkeit von 120 km/h auf Autobahnen, 80 km/h außerorts und 30 km/h innerorts, festgeschrieben.
  • Durch eine gesetzliche Rahmenregelung muss die großflächige Ausweitung von autofreien Zonen in den urbanen Großräumen erleichtert und gefördert werden. Durch ein Infrastrukturprogramm, das mit jährlich mindestens 5 Milliarden Euro ausgestattet werden muss, müssen die Städte und Regionen bei der Förderung des Vorrangs für Fuß- und Radverkehr und dem massiven Ausbau von Bus und Bahn gefördert werden. Mit dem Ausbau des öffentlichen Verkehrs muss ein Rückbau der Verkehrswege des Individualverkehrs einhergehen.
  • Im Klimaschutzgesetz muss der Vorrang der Ausbau der Bahn vor dem Straßenneu- und ausbau festgeschrieben werden. Hierfür muss der Bundesverkehrswegeplan grundlegend überarbeitet werden und Mittel für den Ausbau der Straßen konsequent in den Ausbau von Schieneninfrastruktur umgeleitet werden.
  • Kurzstreckenflüge unter 1000 km müssen grundsätzlich verboten werden. Als erster Schritt wird ab dem Jahr 2022 ein Verbot von innerdeutschen Flügen festgeschrieben. An allen deutschen Flughäfen muss ein absolutes Nachtflugverbot in der gesetzlichen Nachtruhe (22:00 bis 06:00 Uhr) festgeschrieben werden und eine Aufweichung der Einschränkungen in Nachtrandzonen gesetzlich verboten werden.

Sektor Industrie:

In keiner Weise wird in dem Klimaschutzplan der Bundesregierung ein Umbau der klimazerstörenden Industrie festgeschrieben. Um eine nachhaltigen Umbau der Industriegesellschaft voranzubringen, ist das Ordnungsrecht das klassische umweltpolitische Instrument. Die Bundesregierung hat jedoch in ihrem Klimaschutzpaket keinerlei stringenten ordnungspolitischen Ansatz. Es fehlen konkrete Vorschläge zum Umbau der Automobilindustrie hin zu einer nachhaltigen Mobilitätsindustrie. Vielmehr wird mit der Ankündigung, dass zur Abbildung der „ganzen Wertschöpfungskette der Elektromobilität in Deutschland und Europa […] die Ansiedlung von zukunftsfähigen Batteriezellfabriken unterstützt“ wird, die Förderung des individuellen motorisierten Individualverkehrs weiter festgeschrieben.

Die Förderung regionaler Wirtschaftskreisläufe zur nachhaltigen Reduzierung des globalisierten Warenaustausches mit riesigen Transportwegen muss festgeschrieben werden. Die Bundesregierung hat keinerlei Vision eines alternativen Entwicklungswegs, weg vom finanzmarktgetriebenen Kapitalismus und zur Schaffung einer Kreislaufwirtschaft mit einer Vision der „Null-Emissionen“. 

Notwendig für einen klimagerechten Umbau der deutschen Industrie sind folgende Punkte:

  • Auflage eines Konversionsprogramms für die klimaschädlichen Industriebereiche mit der verbindlichen Festschreibung von Grenzwerten für den Schadstoffausstoß.
  • Die Preise für den Verbrauch natürlicher Ressourcen müssen der Wahrheit entsprechen. Eine Externalisierung ökologischer Kosten darf nicht mehr hingenommen werden.
  • Durch eine konsequente Ordnungspolitik müssen ökonomische, ökologische und soziale Fehlentwicklungen verhindert und korrigiert werden und mit beschäftigungspolitischen Maßnahmen sozial flankiert werden. Ziel muss die dauerhafte Beschäftigungs- und Einkommensperspektive für betroffene Arbeitnehmer*innen und gesicherte Übergänge in neue Beschäftigung sein.
  • Die neoliberalen Freihandelsabkommen müssen gekündigt werden. Hierfür muss die Bundesregierung innerhalb der EU entsprechende Initiativen ergreifen.